Hybridisierung

Alle Taxa der Gattung Schlumbergera blühen einheitlich purpurfarben, außer S. lutea, die gelb blüht. Auch S. truncata bildet eine Ausnahme. Am natürlichen Fundort kommen Pflanzen mit orangeroten, rosa, roten, purpurnen und sogar weißen Blüten vor. Schon bald nach der Einführung dieser Art im Jahre 1818 wurden hiermit die ersten Kreuzungen durchgeführt und um die Mitte des 19. Jahrhunderts existierte bereits eine beträchtliche Anzahl kultivierter Sorten. 1839 gelangte S. russelliana nach Europa und wurde kurze Zeit später von Wilbraham Buckley zur Züchtung verwendet. Die Kreuzungen S. russelliana × S. truncata wurden dann von Moore 1852 als Epiphyllum buckleyi beschrieben. Sie sind heute als Schlumbergera × buckleyi oder allgemein als „Weihnachtskakteen“ bekannt und erfreuten sich in England besonders in der Viktorianischen Zeit allgemeiner Beliebtheit.

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts endete das Interesse an den Schlumbergera-Hybriden. Erst nach 1960 begannen einzelne Züchter, sich wieder mit der Hybridisierung zu befassen, so z.B. in Deutschland Alfred Gräser und ab den 1980er Jahren Joyce Carr in Australien mit ihrer „Liberty-Serie“. Besonders aber engagierten sich ab ca. 1980 große Gärtnereien und bemühten sich, kräftige und aufrecht wachsende statt der von Natur aus hängenden Pflanzen mit neuen Blütenfarben und Blütenformen zu züchten. In den USA waren dies vor allem B. L. Cobia Inc. in Winter Garden (Orlando, Florida). Ihr Züchtungskonzept waren Hybriden mit polyploiden (mehrfachen), bis zu achtfachen Chromosomensätzen, mit denen sie z.T. spektakuläre Züchtungen erzielten, die sie dann, patentiert, in den 1980er Jahren als „Cobia Collector Series“ auf den Markt brachten. Hierzu gehörte auch die erste gelbblühende S. truncata-Sorte ‘Gold Charm’. Schlumbergera wurden schließlich auch im kommerziellen Gartenbau interessant. Insbesondere zu Thanksgiving werden heutzutage in den USA Millionen kleiner blühender Pflanzen von S. truncata-Hybriden verkauft und auch in Europa werden sie im Spätherbst und um die Weihnachtszeit in großen Mengen angeboten. Um diesen riesigen Bedarf zu decken, haben sich mehrere Großgärtnereien auf die Produktion spezialisiert. Dies sind in erster Linie de Vries in den Niederlanden sowie Rohde, Thoruplund und vor allem Madsen in Dänemark. Heute sind S. truncata-Hybriden und Auslesen aus dem Angebot von Gärtnereien und Gartencentern nicht mehr wegzudenken.

Die Entdeckung der Schlumbergera orssichiana und die Nutzung dieser Art als Kreuzungspartner erhöhte die Variabilität der Hybriden enorm. Die ersten Kreuzungen S. orssichiana × S. truncata wurden in Brasilien von Gräfin Beatrix Orssich aus Teresópolis, Brasilien durchgeführt, die ihre Züchtungen als „Queens“ bezeichnete, weshalb diese Kreuzungen den Nothospecies-Namen S. × reginae erhielten. Weitere Züchter dieser Sorten in den 1980er Jahren waren A.J.S. McMillan in England und vor allem Dolly Kölli in den USA. S. × reginae-Kultivare haben aber trotz ihrer eindrucksvollen Blüten nie die wirtschaftliche Bedeutung der oben beschriebenen S. truncata-Sorten erzielt.

Schlumbergera opuntioides, S. kautskyi und S. microsphaerica spielen als Kreuzungspartner hingegen bisher keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Bei den beiden letztgenannten Arten kommt erschwerend hinzu, dass sie selbstfertil sind und Kreuzungen deshalb nur selten erfolgreich sind. S. lutea spielt bei der Hybridisierung keine Rolle. Bislang wurden folgende interspezifische Hybriden mit Nothospecies-Namen versehen, die auch verwendet werden können, wenn die Kreuzung in umgekehrter Richtung durchgeführt wird:

Schlumbergera × buckleyi = S. russelliana × S. truncata
Schlumbergera × eprica = S. orssichiana × S. russelliana
Schlumbergera × exotica = S. truncata × S. opuntioides
Schlumbergera × reginae = S. truncata × S. orssichiana

Während also Schlumbergera-Hybriden und Auslesen in großer Zahl existieren, begann man erst recht spät mit der Hybridisierung von Rhipsalidopsis und die Anzahl der Züchtungen blieb bisher deutlich geringer. Dies mag z. T. daran liegen, dass nur zwei Ausgangsarten, R. gaertneri und R. rosea, zur Verfügung stehen, deren Naturformen zudem farblich ziemlich einheitlich sind, im Gegensatz zur farblichen Variationsbreite von Schlumbergera truncata. Mit Schlumbergera lässt sich Rhipsalidopsis auch unter natürlichen Verhältnissen nicht hybridisieren.

Es war Alfred Gräser aus Nürnberg, der 1932 erstmals R. gaertneri und R. rosea kreuzte. Diese Hybride wurde 1939 (Kakteenkunde 1939, S. 10) von Werdermann als Rhipsalis × graeseri beschrieben und 1953 von Moran zu Rhipsalidopsis × graeseri umkombiniert. Der Name R. × graeseri gilt für Kreuzungen in beiden Richtungen, d. h. gleich welche Pflanze als Mutterpflanze oder Pollenspender fungiert.

In den 1960er Jahren war es Harry Johnson von Johnson Cactus Gardens in Kalifornien, der einige berühmt gewordene Sorten gezüchtet hat, wie ‘Crimson Giant’ oder ‘China Pink’. Auch B. L. Cobia beschäftigten sich neben der Züchtung von Schlumbergera Kultivaren mit der Hybridisierung von Rhipsalidopsis. In England produzierten Abbey Brook Nurseries einige beachtenswerte Rhipsalidopsis-Sorten (z.B. ‘Easter Wedding’) ebenso wie auch japanische Züchter (z. B. die zweifarbige ‘Parnell’). Besondere Erwähnung gebührt Andrew Savio in Australien, dem es (vermutlich durch induzierte Mutation) gelang, Sorten mit gefüllten Blüten zu züchten, z.B. seine berühmte ‘New Double’.

Im „Fahrwasser“ der winterblühenden Schlumbergera-Hybriden gewannen sehr schnell auch die Rhipsalidopsis-Sorten als Frühjahrsblüher oder „Osterkakteen“ an Popularität und werden heute in Massen und parallel zu den Schlumbergera-Sorten von den vorher schon genannten europäischen Großgärtnereien de Vries, Rohde, Thoruplund und Madsen produziert. So stehen heute Rhipsalidopsis-Sorten zur Verfügung, die in den Farben weiß, orange, rosa, rot und purpurn blühen, nur nicht in reinem gelb, dafür aber zweifarbig und mit hellem oder dunklem Mittelstreifen auf den Blütenblättern. Auch auf einen kräftigen und aufrechten Wuchs der Pflanzen wird Wert gelegt, so dass sie, ebenso wie die neuen Schlumbergera-Sorten, nicht als Ampelpflanzen kultiviert werden müssen.

Die Massenproduktion macht die neuen Schlumbergera– und Rhipsalidopsis-Züchtungen preislich erschwinglich, aber als Massenware werden sie vom „Verbraucher“ in den meisten Fällen nach der Blüte „entsorgt“ und nicht weiter kultiviert. Für den Gärtner lohnt es sich damit auch nicht mehr, die Pflanzen mit Etikett und Sortennamen zu verkaufen. Damit verschwinden auch die schönsten neuen Züchtungen in der Anonymität. Möge dieses Register dazu beitragen, die Pflanzen aus ihrer Namenlosigkeit herauszuholen und ihnen den Platz in unseren Sammlungen zuzuweisen, der ihnen zusteht!

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